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Erlebnisraum Neckar setzt auf Stuttgarter Sickerstein
Immer häufiger werden Verkehrsknotenpunkte als Kreisverkehre geplant oder umgestaltet. Grund hierfür ist die höhere Verkehrssicherheit im Vergleich zu vorfahrts- oder signalgesteuerten Kreuzungen, denn die Anzahl der Konfliktpunkte in einem Kreisverkehr ist weitaus geringer als an einer gewöhnlichen Kreuzung. Ebenso lassen die niedrigeren Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Kreisverkehr und die bessere Übersichtlichkeit die Zahl der Verkehrsunfälle schrumpfen und etwaige Unfälle glimpflicher verlaufen. Gleichzeitig ist die Durchlassgeschwindigkeit bei Kreisverkehren oft höher als bei einer vorfahrts- oder signalgesteuerten Kreuzung, da der Verkehr flüssiger laufen kann. Auch die Kosten für die Anschaffung und Wartung einer Lichtzeichenanlage entfallen. Insbesondere aus Gründen der Verkehrsflussoptimierung entschied sich auch die Gemeinde Brackenheim im Landkreis Heilbronn dazu, drei innerörtliche lichtsignalgebundene Kreuzungen im Jahr 2015 auf Kreisverkehre umzubauen. Das Besondere daran: Die Kreisfahrbahnen wurden nicht wie zumeist üblich asphaltiert, sondern einschließlich der Zu- und Ausfahrten in Betonbauweise erstellt.

Die schwäbische Metropole Stuttgart lag ursprünglich am Nesenbach, einem kleinen, inzwischen fast komplett verdolten Bach. Durch die Vereinigung mit Cannstatt im Jahre 1905 erhielt die Stadt ihren größten und ältesten Stadtbezirk und rückte nebenbei auch an den Neckar. Dieser prägt seit jeher die Landschaft kulturell und räumlich. Wer sich auf Stuttgarter Gemarkung entlang des Neckars bewegt, durchschreitet in kurzen Abständen Orte unterschiedlichsten Charakters. So wechseln sich landschaftlich geprägte Nischen am Wasser, schroffe Uferbereiche aus Beton, dörflich geprägte Siedlungsbereiche, Verkehrsinfrastrukturen, gründerzeitliche Wohnquartiere und großmaßstäbliche industrielle Anlagen ab. In vielen Bereichen gehen gewerblich genutzte Grundstücke, Straßen und Industrieanlagen direkt bis ans Wasser; das Neckarufer ist hier öffentlich nicht zugänglich. Das räumliche Gefüge aus überwiegend kommerziellen und infrastrukturellen Nutzungen führte über die Jahre dazu, dass die Menschen in Stuttgart dem Fluss lange Zeit nur wenig Interesse entgegenbrachten. Doch mit der sich wandelnden Stadtgesellschaft und einem veränderten Alltags- und Freizeitverhalten ergeben sich neue Bedürfnisse und der Anspruch an das, was Stadtraum leisten soll. Wo das Neckartal früher vorwiegend als Ort der ökonomischen Wertschöpfung gesehen wurde, besteht inzwischen das Bedürfnis, sich den Fluss als Ort der Erholung, Freizeitgestaltung und nachhaltigen Mobilität zu erschließen. Mit dem Masterplan „Erlebnisraum Neckar“ versuchen die Verantwortlichen der Stadt, nun Stuttgart wieder als Stadt am Fluss erlebbar zu machen. Zentrales Projekt hierbei ist die Umgestaltung des Wasenufers. Einige Vorhaben wie z.B. Anlegestellen für Flusskreuzfahrtschiffe und eine Wasenquerung sollen bis zum Jahre 2022 abgeschlossen sein. Eine kleinere bereits realisierte Maßnahme, ist die Umgestaltung einer Grünfläche neben dem Parkhaus Mühlgrün. Hier setzten die Planer bei der Flächenbefestigung auf den Stuttgarter Sickerstein.

Zu dunkel, zu schmutzig und nicht optimal gelegen – so beurteilten Cannstatter Bürger das unmittelbar am Neckar gelegene Parkhaus Mühlgrün aus dem Jahre 1988. Obwohl es nur wenige Schritte von der Cannstatter Altstadt entfernt ist, schien das Parkhaus am Neckar im Bewusstsein der Menschen irgendwie nie richtig anzukommen. Einen weiteren Grund vermuteten Cannstatter Bezirksbeiräte schon lange im wenig ansprechenden Umfeld des Parkhauses. Axel Mundsinger von den Landschaftsarchitekten Mundsinger + Hans aus Ostfildern schildert die Situation: „Der Bereich machte seit langem einen tristen Eindruck. Trampelpfade, schütteres Gras und fehlende Aufenthaltsqualität erzeugten keinen einladenden Eindruck. Außerdem fehlten Sitzmöglichkeiten und eine Öffnung des Platzes zum Neckar.“

Deshalb entschieden sich die Verantwortlichen dazu, aus der Fläche erneut einen Platz mit Aufenthaltscharakter zu machen. Geplant war es, den Platz mit Geld aus der Stadtentwicklungspauschale neu zu strukturieren. Axel Mundsinger: „Mit Hilfe eines geeigneten Pflasterbelages sollte die Fläche so umgestaltet werden, dass die vorhandenen Platanen in einem Platz sitzen und die Wurzelbereiche so gering wie möglich versiegelt werden. Ebenso war es geplant, Sitzmöglichkeiten unter den Bäumen zu schaffen, die sich über eine zentrale Treppenanlage bis auf den Neckardamm ziehen, sowie ein neuer barrierefreier Zugang zum Parkhaus.“

Stuttgarter Sickerstein erfüllt geforderte Werte für die Wasserdurchlässigkeit

Für die Pflasterung dieses etwa 600 Quadratmeter großen Platzes entschieden sich die Planer für den Stuttgarter Sickerstein aus dem Betonwerk Adolf Blatt aus Kirchheim am Neckar. Hierzu Axel Mundsinger: „Wie der Name schon vermuten lässt, hat dieses Steinsystem seine Heimat in der Stadt Stuttgart. Da wir es bereits bei einigen anderen Projekten in der Umgebung mit Erfolg eingesetzt haben, war es auch für diese Maßnahme die erste Wahl. Der Vorteil dieses Systems liegt in der Kombination aus zwei besonderen Eigenschaften. Erstens wird der Stein aus haufwerksporigem Beton gefertigt und erfüllt damit spielend die geforderten Werte der Stadt Stuttgart für die Wasserdurchlässigkeit derartiger Flächen“, so Axel Mundsinger. Den Nachweis hierfür erbrachte die Firma Blatt mit einem Infiltrometerversuch. Die Messungen einer Fläche von Stuttgarter Sickersteinen im neu verlegten Zustand ergaben, dass bei der Verwendung von Splitt 1/3 mm für die Fugenverfüllung Regenspenden von 7.100 l/(s x ha) versickert werden können. Damit werden die geforderten Versickerungswerte für eine versickerungsfähig befestigte Fläche in Anlehnung an das DWA-Arbeitsblatt A 138 (2002) und an das zuständige FGSV-Merkblatt von mindestens 270 l/(s x ha) im Neuzustand bei weitem überschritten, was bedeutet, dass es auch bei einem stärkeren Regenereignis zu keinem Oberflächenabfluss kommen wird. Axel Mundsinger: „Im Gegenteil, das Wasser versickert in die darunter liegende Tragschicht, die dann wie ein Regenrückhaltebecken wirkt und dafür sorgt, dass das Wasser erst zeitverzögert weiter in den anstehenden Untergrund versickert und dort von den Baumwurzeln aufgenommen werden kann.“

Der zweite Vorteil dieses Steinsystems besteht in seinen optischen Eigenschaften. Trotz seiner Wasserdurchlässigkeit verfügt der Stuttgarter Sickerstein über eine sehr feinkörnige Oberflächenstruktur sowie attraktive Farb- und Formvarianten und genügt damit zugleich auch allen ästhetischen Ansprüchen. „Um die Fläche des Platzes freundlicher zu machen und die Platanen optisch zu integrieren haben wir uns für eine farblich changierende Steinoberfläche in den Tönen anthrazit, gelb und grau entschieden. Dieses leicht wechselnde Farbenspiel erzeugt eine gewisse Wärme und wirkt nicht so kalt wie ein rein graues Material“, so Axel Mundsinger.

Seit Ende 2017 ist der Platz neben dem Parkhaus Mühlgrün nun umgestaltet. Die neue Flächengestaltung und der barrierefreie Zugang zum Parkhaus tragen dazu bei, dass der gesamte Bereich wieder neu im Bewusstsein der Cannstatter Bürger angekommen ist. Dank des Masterplans Erlebnisraum Neckar werden bis zum Jahre 2035 zahlreiche weitere Maßnahmen entlang des Neckarufers umgesetzt, um somit den Neckar für die Stuttgarter Bürger Stück für Stück zurück zu erobern.