Weit über seine Grenzen hinaus bekannt ist die gut 3.500 Einwohner zählende Gemeinde Neckarwestheim im Landkreis Heilbronn. Grund hierfür ist das ortsansässige Kernkraftwerk, das als letztes Kernkraftwerk Deutschlands im Jahre 1989 ans Netz ging. Obwohl die Gemeinde in vielerlei Hinsicht unter der Nähe zum Kraftwerk zu leiden hat, kann sich der kleine Weinort am Neckar in Punkto Finanzen glücklich schätzen – zählt er doch durch die hohen Gewerbesteuereinnahmen vom Kernkraftwerksbetreiber EnBW zu einer der reichsten Kommunen im Landkreis Heilbronn. Dies war – neben dem überzeugenden planerischen Ansatz – sicher auch eine wichtige Basis für die im Jahr 2011 erfolgte Zustimmung des Gemeinderates zur Sanierung des Kirchplatzes mit einem finanziellen Rahmen in Höhe von rund 1,5 Mio Euro.
„Durch seine weit voneinander liegende und teilweise kleinteilige umgebende Bebauung, das bewegte Gelände und tangierende Straßen lud der Platz vor der evangelischen Gregoriuskirche in Neckarwestheim bisher kaum zum Verweilen ein“, formuliert Architekt Andreas Joos vom ortsansässigen Büro hjb. „Durch die Sanierungsmaßnahme sollte erreicht werden, dass der Kirchplatz wieder zum natürlichen Mittelpunkt wird, der Orientierung gibt – als Ort der Begegnung und für christliche Wertvorstellungen“, führt Joos aus.
Geänderte Straßenführung ermöglicht neue nutzbare horizontale Platzebene
Bei der Planung orientierte sich der Architekt auch an alten Vorbildern: „Im 18. Jahrhundert war der heutige Kirchplatz bebaut, der höher, vor dem Kirchenportal liegende Kirchenvorplatz wurde dadurch räumlich gefasst. Hieran anknüpfend ist durch die Sanierung an der Stelle der ehemaligen Bebauung wieder ein gliedernder Schwerpunkt entstanden. Dieser wird durch vier symmetrisch angeordnete Eichen gebildet“, so Joos. Entscheidend für die positive Gesamtwirkung des Areals ist auch eine neu hergestellte Fahrwegverbindung, die dazu führt, dass der „Obere Kirchplatz“ nicht mehr vom Verkehr gequert werden muss. Durch die Verlegung der Straße entstand unter dem „Oberen Kirchplatz“ eine neue nutzbare horizontale Platzebene – der „Untere Kirchplatz“ - der dennoch befahrbar bleibt aber räumlich vom darüber liegenden Fußgängerbereich getrennt ist.
Bewusstes Material- und Farbkonzept fasst Elemente zu einem ortsbildprägenden Ensemble zusammen
Die gewünschte Steigerung der Aufenthaltsqualität erfährt das gesamte Areal durch ein ganz bewusstes Material- und Farbkonzept: Hierzu Andreas Joos: „Ziel war es, die Elemente weitgehend zu reduzieren und sich hauptsächlich auf heimische Materialien zu beschränken. So nimmt der neue Kirchenvorplatz die neue Kirchentreppe und die neue Kirchenmauer den Sandstein des Kirchengebäudes auf und bildet zusammen mit dem oberen Kirchplatz und der flankierenden Platzwand ein ortsbildprägendes Ensemble. Gleichzeitig markiert das gräuliche Grundmaterial des Muschelkalks die Abgrenzung vom historisch Gewachsenen und nimmt zeitlichen Bezug. Die Handläufe aus Bronze nehmen wiederum das Farbenspiel der Muschelkalksteineinschlüsse und des Sandsteins auf“, so Joos.
Individuell angefertigtes Betonpflaster bindet optisch alle Elemente zusammen
Für den unteren, befahrbaren Kirchplatz war ein kleinteiliger, auf das Farbkonzept des oberen Platzes abgestimmter Betonpflasterbelag vorgesehen. Wunsch der Planer war es auch hier, auf ein „heimisches“ Material zurückzugreifen. Deshalb fiel die Wahl für die Befestigung des „Unteren Kirchplatzes“, auf ein Betonpflaster aus dem nahe gelegenen Werk der Firma Adolf Blatt. Speziell für dieses Objekt fertigte man ein scharfkantiges Steinsystem in drei Steingrößen, dessen Oberfläche durch Kugelstrahlen veredelt wurde. Die in einem römischen Verband gelegte Pflasterfläche präsentiert sich in dezenten Farbnuancen von warmem grau bis anthrazit. Hierzu Joos: „Der untere Kirchplatz übernimmt die Anbindung an die gesamte Umgebung. Mit der individuell auf die anderen Bauteile abgestimmten Fertigung der Steine konnten wir erreichen, dass dieses etwa 600 m² große Areal auch optisch alle Elemente des Kirchplatzes und der anschließenden Fuß- und Fahrwege zusammenbindet.“
Am 23. Juni 2013 wurde der sanierte Platz seiner Bestimmung übergeben. Zum Verweilen laden heute nicht nur die neu gestalteten Flächen um die Kirche ein, sondern auch die in die Treppenführung integrierte neue Bronzeplastik der Künstlerin Michaela A. Fischer. Das Kunstwerk dient als Denkmal für die im ersten und zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten und bietet Andachten und Kranzniederlegungen einen würdevollen Rahmen.