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Ökologische Flächenbefestigung bei gering durchlässigem Untergrund

Für die Funktionsfähigkeit von wasserdurchlässigen Befestigungen von Verkehrsflächen nennen Fachgremien einige wichtige Voraussetzungen: Verkehrsbelastung nicht höher als Bauklasse V und VI, Versickerung von nicht oder nur gering verschmutztem Wasser, Flurabstand zwischen der Versickerungsanlage und dem Grundwasserspiegel von min. 2 Metern sowie einem hohen Durchlässigkeitsbeiwert des Untergrundes. Besonders der letztgenannte Punkt stellt in vielen Gegenden Deutschlands eine erhebliche Einschränkung für den Einsatz wasserdurchlässiger Befestigungen dar. Insbesondere in Mittel- und Süddeutschland bieten die geologischen Verhältnisse oft keine guten Voraussetzungen für eine ortsnahe Versickerung von Niederschlägen. Auch im Großraum Stuttgart gelten die meisten Böden als nur sehr gering durchlässig. Dennoch fand man nun eine Lösung, wie auch unter diesen Bedingungen eine funktionsfähige ökologische Befestigung realisiert werden kann.

Stuttgart hat die Lösung für ein bekanntes Problem

Im Stuttgarter Ortsteil Zazenhausen entsteht seit Anfang 2008 auf einer Fläche von 16,7 Hektar ein neues Wohngebiet, das überwiegend aus Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern besteht. Im Endausbau wird die Siedlung „Hohlgrabenäcker“ 265 Eigenheime und 9 Wohnblöcke in relativ dichter Bebauung umfassen.

Sowohl von Seiten des Landes als auch von Seiten der Stadt, bestehen sehr konkrete Vorgaben hinsichtlich der Versickerung von Regenwasser in Neubausiedlungen. So soll nach dem Wassergesetz von Baden-Württemberg Niederschlagswasser von Neubaugebieten versickert oder getrennt abgeleitet werden, sofern dies schadlos und technisch möglich ist. Parallel dazu schreibt die Stadt Stuttgart vor, dass im geplanten Neubaugebiet aufgrund von Kapazitätsengpässen in den bestehenden Anschlusskanälen ein maximaler Abflussbeiwert von 0,3 einzuhalten ist. Dies entspricht einem Versiegelungsgrad von 30%. Eine Bodenanalyse ergab im gesamten Gebiet in den oberen, für die Niederschlagsbeseitigung relevanten Schichten, ein überwiegend homogenes Bild aus bindigen Böden. Diese Bodenarten eignen sich nur sehr bedingt für die Regenwasserversickerung.

Trotz dieser widrigen hydro-geologischen Umstände, fand man für das Neubaugebiet ein funktionsfähiges Entwässerungskonzept, das aus einer Kombination von verschiedenen Grundelementen der Regenwasserbewirtschaftung besteht. Für private Bauflächen mit Einzel- und Doppelhausbebauung sind Zisternenanlagen vorgesehen, die einen Großteil des Regenwassers speichern. Dieses steht für eine Nutzung in Haus und Garten zur Verfügung. Im Bereich der dichteren Bauflächen werden zur Abflussminderung Dachbegrünungen vorgeschrieben. Terrassen, Wege und Einfahrten sind mit durchlässigen Belägen auszustatten. Die öffentlichen Straßen- und Erschließungsflächen wurden auf das verkehrstechnische Minimum begrenzt, um den Versiegelungsgrad so weit wie möglich zu reduzieren. Sämtliche Anwohnerstraßen und Gehsteige sollen mit einem Sickerpflasterbelag ausgeführt werden.

„Genau diese Bedingung stellte uns vor besonders große Herausforderungen“, formuliert Dipl. Ing. Alfred Diem, Inhaber des Ingenieurbüros Diem-Baker aus Ditzingen das mit der Planung und Bauüberwachung am Hohlgrabenäcker befasst war. „Im gesamten Gebiet haben wir es mit undurchlässigen Böden aus Auelehm zu tun. Unter normalen Umständen wäre hier eine flächige Versickerung über ein wasserdurchlässiges Pflaster unmöglich gewesen. Die einzige Lösung bestand darin, den anfallenden Niederschlag zunächst zu puffern und dann später zeitversetzt in den Kanal abzuleiten. Hierfür haben wir extra für den Stuttgarter Raum einen speziellen Schichtenaufbau für eine wasserdurchlässige Pflasterbauweise entwickelt. Dabei handelt es sich um eine ca. 21cm dicke Schicht aus Magerbeton, die auf einer Frostschutzschicht auf Kies aufgebracht wird. Diese Einkornbetontragschicht ist dank ihrer gleichförmigen Korngröße in der Lage, um die einzelnen Steine herum Wasser zu speichern.“

Aber welche Bedingungen werden an einen Pflasterbelag gestellt, damit eine solche Bauweise dauerhaft funktioniert? „Für die Befestigung aller Straßen und Gehwege benötigten wir rund 16.000 m² Sickerpflaster“, führt Alfred Diem aus. Gesucht war ein Pflasterbelag, der die Durchlässigkeitsbeiwerte erfüllt und der gleichzeitig den Verkehrsbelastungen gewachsen war, eine Anforderung, die nicht leicht zu erfüllen ist, denn je durchlässiger ein Stein ist, umso größer ist die Gefahr, dass er aufgrund seiner porösen Struktur unter Belastung zerbricht.“

Die Wahl fiel auf unseren Stuttgarter Sickerstein. „Mit diesem Steinsystem haben wir für die hiesigen Verhältnisse eine ideale Lösung gefunden. Der Stein wird aus haufwerksporigem Beton gefertigt und erfüllt damit spielend die geforderten Werte für die Wasserdurchlässigkeit“, so Alfred Diem. Der Nachweis hierfür konnte sogar vor Ort mit einem Infiltrometer erbracht werden. Eine Messung über 5 Stunden ergab einen Wasserdurchlässigkeitswert von 5,4 x 10 -5 m/s, was bedeutet, dass es auch bei einem stärkeren Regenereignis zu keinem Oberflächenabfluss kommen wird. Alfred Diem: „Im Gegenteil, das Wasser versickert in die darunter liegende Tragschicht, die wie ein Regenrückhaltebecken wirkt und dafür sorgt, dass das Wasser erst zeitverzögert und mit erheblich reduzierter Intensität in den Kanal gelangt. So brauchten wir den Feuerbach, der uns in diesem Gebiet als Vorfluter dient, nicht zu erweitern.“

Mit einer Druckfestigkeit von 40 Newton pro Millimeter ist sowohl die 10 cm starke Version für die Gehwege als auch die 14 cm starke Variante für die Fahrbahnen dauerhaft der Belastung durch den Verkehr gewachsen. Dies gilt allerdings nur bei fachgerechter Verlegung. Hierzu Björn Schaal, Bauleiter der Bauunternehmung Schwenk aus Unterensingen, die das Sickerpflaster verlegte: „Damit die Fugen Ihre Funktion als Puffer korrekt wahrnehmen können, haben wir die vorgeschriebene Fugenbreite von mindestens 5 mm sehr streng eingehalten.“

Durch das Zusammenspiel aller Faktoren konnte im Neubaugebiet Hohlgrabenäcker ein Versiegelungsgrad von nur 20% erreicht werden – und das, obwohl die lehmigen Böden eigentlich keine Versickerung zulassen.